Teneriffa: Ein Besuch bei den geheimnisvollen Bauwerken
In der Kleinstadt Güímar an der Ostküste Teneriffas befinden sich die wohl geheimnisvollsten Bauwerke der Insel: sechs rechteckig langgestreckte, pyramidenförmige Terrassenbauten aus mörtelfrei aufgeschichteten Lavasteinen. Ursprünglich waren es neun, erhalten geblieben sind sechs Pyramiden. Sie sind länglich mit einer Grundfläche von bis zu 50 mal 16 Metern und bestehen aus vier bis sieben Stufen.
Die meiste Zeit ging man davon aus, dass sie erst während der letzten Jahrhunderte angelegt wurden, und widmete ihnen keine große Beachtung. Erst der norwegische Archäologe Thor Heyerdahl (1914-2002) betrachtete die Pyramiden auf neue Art. Er war sein Leben lang von der Theorie fasziniert, dass die Menschen möglicherweise bereits in prähistorischer Zeit die Ozeane befahren konnten und Kulturen auf verschiedenen Kontinenten dadurch miteinander in Verbindung standen. Berühmt wurde er, als er 1947 mit dem Balsafloß Kon-Tiki den Pazifik überquerte. Heyerdahl vermutete, dass frühe europäische oder nordafrikanische Völker regelmäßige Kontakte nach Amerika unterhalten haben könnten. Die Kanaren hätten sich dabei als Zwischenstation angeboten, die prähispanischen Ureinwohner, die Guanchen, könnten in diesen Transatlantikverkehr involviert gewesen sein – eine gewagte These, waren doch die Guanchen keineswegs ein Seefahrervolk. Aber Heyerdahl traute ihnen noch mehr zu: Er mutmaßte, sie hätten die geheimnisvollen Pyramiden als astronomische Observatorien erbaut. Die Anlage schien ihm so interessant, dass er 1991 umfangreiche Untersuchungen einleitete. Deren Ergebnis war allerdings enttäuschend: Ein Grabungsbefund scheint zu belegen, dass die Pyramiden frühestens im 19. Jahrhundert errichtet worden sind, lange nach dem Ende der Guanchen-Kultur.
Untersuchungen des Astrophysikalischen Instituts der Kanaren ergaben Anfang der 1990er Jahre, dass die Längsseiten einiger Terrassenbauten von Güímar in Richtung der beiden Sonnenwenden weisen. Am Tag der Sommersonnenwende kann man von der Plattform der größten Pyramide einen zweifachen Sonnenuntergang erleben: Die Sonne versinkt hinter einer Bergspitze, passiert sie, taucht dahinter wieder auf und versinkt hinter dem benachbarten Berg ein zweites Mal. Alle Pyramiden weisen auf ihrer Westseite Treppen auf, auf denen man zur Wintersonnenwende genau der aufgehenden Sonne entgegentritt.
Aber wer hat in der jüngeren Vergangenheit solche Bauwerke realisiert? Warum sind sie präzise nach den Sonnenwenden ausgerichtet, und warum gibt es keinerlei zeitgenössische Berichte darüber? Bisher sind noch zu viele Fragen offen, um die Bedeutung dieser Bauwerke beurteilen zu können.
Die Pyramiden sind in einen ethnografischen Park eingebunden, zu dem auch ein Museum gehört, das nicht nur die Pyramiden selbst, sondern Heyerdahls gesamtes Theoriegebäude zum Thema hat. Die Ausstellung ist ansprechend und informativ und kommt ohne Showeffekte aus. Das Außengelände wird durch einen kleinen botanischen Garten und Informationen über die Geschichte der kanarischen Bevölkerung ergänzt – alles ist schön angelegt.
Pflicht oder nicht? Die Pyramiden sind trotz aller Zweifel spannende Bauwerke, deren Besuch einigen Spaß macht.
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