Vennbahn-Radweg – Bütgenbach – Aachen-Rothe Erde

Auf dem Vennbahn-Radweg, einem der längsten Bahntrassen-Radwege Europas, von Belgien nach Deutschland.

Der Vennbahn-Radweg ist ein absolut einzigartiger grenzüberschreitender Radfernweg zwischen Deutschland, Belgien und Luxemburg. Er verläuft auf der Trasse der ehemaligen, beeindruckenden preußischen Vennbahn, die seit 2002 stillgelegt und abgebaut ist. Von Aachen aus geht es über Ostbelgien, durch den Naturpark Hohes Venn-Eifel und die Ardennen bis nach Troisvierges. Auf 125 Kilometern erlebt man faszinierende Landschaften, Grenzflair und jede Menge Geschichten.
Wir waren an zwei Tagen auf diesem spannenden Radweg unterwegs: am ersten Tag von Bütgenbach (B) nach Troisvierges (L), am zweiten von Bütgenbach (B) nach Aachen (D). Hier folgt der Bericht über die Etappe von Belgien nach Deutschland – ein echtes Highlight!

Tour-Datum 02.05.2024
Region Deutschland, Nordrhein-Westfalen, Belgien, Vennbahn
Ausgangspunkt Bütgenbach
Anforderungen Radtour auf stillgelegter Bahnstrecke, autofrei und asphaltiert
Distanz 72 km
Höhenmeter 100 m Anstieg, 400 m Abstieg
Fahrtzeit 4 Stunden (ohne Pause)
GPX-Datei

Über die Vennbahn Aachen-Rothe Erde – St. Vith

Seit 1873 forderten die Städte und Kreise Malmedy, Monschau, Eupen und Stolberg der Rheinprovinz eine Bahnstrecke, die die Industrieorte miteinander verbinden und bis nach Luxemburg führen sollte. Am 15. Mai 1882 gab Kaiser Wilhelm I. grünes Licht für den Bau der Vennbahn von Prüm über Monschau nach Aachen-Rothe-Erde mitsamt den Abzweigungen nach Malmedy, Eupen und Stolberg. Im Jahr 1885 rollte dann erstmals ein Zug über die Vennbahn zwischen Aachen und der Eifel. Der Bahnbetrieb wurde von der Preußischen Staatsbahn zunächst eingleisig aufgenommen. Ab 1893 begann der zweigleisige Ausbau der Strecke von Stolberg über Hahn (Anschluss von Aachen) bis Walheim. 1909 wurde er mit dem Abschnitt zwischen Walheim und Lommersweiler beendet.

Doch bis dahin war es ein beschwerlicher Weg. Die Gleise dorthin zu verlegen, stellte die Streckenplaner vor eine Herausforderung: 280 Höhenmeter musste der Zug von Walheim bis Lammersdorf überwinden. Die Folge: Weitausholende Schleifen mussten her. So zog sich die Strecke von Aachen nach Monschau, Luftlinie gerade einmal 25 Kilometer, mit dem Zug beinahe doppelt so lang.

Die Bahnlinie hatte eine ganz besondere Bedeutung für die Region. Sie diente in erster Linie dem Transport von Steinkohle aus dem Wurmrevier und dem Inderevier in Richtung Luxemburg und in der Gegenrichtung von Eisenerz zum Thomasstahlwerk nach Aachen Rothe Erde und zur Konkordia-Hütte in Eschweiler. Die Strecke hat außerdem dazu beigetragen, die strukturschwachen Wirtschaftsräume von Westeifel und Hohem Venn zu erschließen. Sie bot den Menschen dort eine Fahrmöglichkeit zu den Arbeitsplätzen in der Aachener Industrie. Trotz aller Schwierigkeiten brachte die Vennbahn schon bald den erhofften Güterverkehr in die Eifel. Allein in St. Vith wurden täglich bis zu 1200 Wagen abgefertigt, die Vennbahn war sehr gut ausgelastet.

Die Weltkriege führten schließlich zum Niedergang der Vennbahn. Nach dem Ersten Weltkrieg gelangte sie infolge des Versailler Vertrags ab Raeren unter belgische Hoheit. Der Zweite Weltkrieg hatte jedoch einen noch zerstörerischeren Einfluss. Als die Alliierten immer weiter vorrückten, sprengte die deutsche Wehrmacht Streckenabschnitte, die nicht ohnehin zerbombt waren, darunter die Viadukte in Kornelimünster und Breinig. Die Sprengungen sollten die Alliierten aufhalten. Trotzdem eroberten die Amerikaner am 12. September 1944 Roetgen als ersten deutschen Ort.

In den folgenden Jahrzehnten verlor die Vennbahn leider an Bedeutung. Stück für Stück wurde sie stillgelegt, weil die Konkurrenz der Straßen einfach zu groß war. Zwischen Stolberg und Walheim fuhr der letzte fahrplanmäßige Personenzug 1976, ab Raeren sind die Gleise entfernt worden.

Und heute? Es überzieht rostiger Schimmer die übrig gebliebenen Gleise. Es herrscht Stillstand, seit Jahrzehnten. Doch halt! Denn auf der Vennbahntrasse verläuft einer der längsten und schönsten Fahrradwege Europas!

Die Besonderheiten der Vennbahn – ein 10-Meter-Streifen Belgien, der sich durch Deutschland schlängelt

Nach dem Ersten Weltkrieg sah sich das Deutsche Reich am 10. Januar 1920 aufgrund des Versailler Vertrags gezwungen, die seit 1815 preußischen Kreise Eupen und Malmedy an Belgien abzutreten. Die Strecke wechselte durch die neue Grenzziehung in ihrem Verlauf nun mehrfach zwischen dem deutschen Reichsgebiet und Belgien. Belgien machte den Vorschlag, die Vennbahn unter belgische Verwaltung zu stellen, da sie für die Städte Malmedy und Eupen von besonderer wirtschaftlicher Bedeutung sei. Dieser Vorschlag wurde von den zuständigen Stellen angenommen. Am 27. März 1920 wurde von einer Grenzfeststellungskommission, der Vertreter Frankreichs, Englands, Italiens und Japans angehörten, festgelegt, dass der belgische Staat Eigentümer der Eisenbahnstrecke mitsamt ihren Bahnhöfen zwischen Raeren und Kalterherberg (dessen Bahnhof heute im belgischen Ort Leykaul liegt) sein sollte. Ab Raeren wurde die Bahnstrecke belgisches Hoheitsgebiet, den Betrieb auf der Vennbahn übernahm die belgische Staatsbahn NMBS/SNCB. Im Jahr 1924 wurde das zweite Gleis auf Veranlassung der alliierten Besatzer wieder zurückgebaut.

Ein echtes Kuriosum sind fünf deutsche Exklaven, die entstanden sind, als die Eisenbahntrasse belgisches Hoheitsgebiet wurde. Diese Exklaven bestehen auch heute noch, weil die Trasse der Vennbahn offiziell belgisches Staatsgebiet ist und die westlich davon gelegenen Orte vom deutschen Staatsgebiet abschneidet. Es handelt sich um: Ruitzhof (zu Kalterherberg, Stadtteil von Monschau), Mützenich (Stadtteil von Monschau), das Gehöft Rückschlag (zu Konzen, Stadtteil von Monschau), der westliche Teil von Lammersdorf (Ortsteil von Simmerath) und Teile von Roetgen.

Ruitzhof – mit 1873 ha die zweitkleinste Exklave Deutschlands.
Rückschlag – mit 1,5 ha die kleinste Exklave Deutschlands.

Eine weitere Exklave entstand bei Hemmeres, bis der dortige Trassenabschnitt 1958 an Deutschland zurückgegeben wurde.

Insgesamt verlief die Vennbahntrasse als belgischer Korridor nun auf 28,5 Kilometern durch deutsches Gebiet. Als deutsche Trasse auf deutschem Staatsgebiet verblieben ihr nur mehr die knapp 18 Kilometer von Aachen-Rothe Erde bis kurz nach Schmidthof. Es galten folgende Regelungen: Die deutsche Sprache wird verwendet, auch durch die belgischen Bahnbeamten; die Stationsnamen der Bahnhöfe bleiben bestehen; deutsches Geld gilt als Zahlungsmittel, ebenso werden Tarife und Gebühren in deutscher Währung deklariert und erhoben; das Bahngelände und die Züge sind zu jeder Zeit ohne belgische Zoll- oder Polizeikontrolle frei zugänglich.

Die Vennbahn als Grenzzieher © WDR Heimatflimmern
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Über den Vennbahn-Radweg von Bütgenbach nach Aachen

Auf dem Vennquerbahn-Radweg starten wir unsere Radtour am See von Bütgenbach und münden bei Waimes in den Vennbahn-Radweg ein. Vorbei am See von Robertville geht es zum alten Bahnhofsgebäude von Sourbrodt mit zahlreichen gut erhaltenen Relikten der Bahngeschichte. Eine einzigartige Heidelandschaft kündigt das Hohe Venn an. Das faszinierende Hochmoorgebiet und gleichzeitig Namensgeber der Vennbahn sorgt als gigantischer Wasserspeicher dafür, dass es zahlreiche Bachläufe und Flüsse zu überbrücken gibt. In Kalterherberg erreichen wir die Grenze zu Deutschland. Vorbei an Kalterherberg und der deutschen Exklave „Ruitzhof“ quert der Radweg das beeindruckende Viadukt von Reichenstein.

Nun beginnt ein Wechselspiel der Grenzverläufe, das seinesgleichen sucht. Der Vennbahn-Radweg durchquert mehrfach deutsches und belgisches Territorium, vorbei an Monschau, Konzen, Lammersdorf und Roetgen, dem Tor zur Eifel. Wir folgen der Route durch den Wald im deutsch-belgischen Grenzgebiet in Richtung Raeren. Am ehemaligen Raerener Bahnhof sind auf dem teilweise noch bestehenden Schienennetz noch alte Lokomotiven zu bestaunen.

Wir verlassen die malerische Wald- und Wiesenlandschaft und überqueren endgültig die Grenze von Ostbelgien nach Deutschland. In Walheim gibt es am Bahnhof noch alte Dieselloks zu bestaunen. Die ehemalige Abteistadt Kornelimünster präsentiert sich mit einer mittelalterlichen Kulisse. Und der Radweg führt hier über zwei beeindruckende Viadukte: das denkmalgeschützte Iterbachviadukt, 130 Meter lang und 22 Meter hoch, und das gut erhaltene und sanierte Rollefbachtalviadukt, 128 Meter lang und maximal 24 Meter hoch. Durch eine ruhige Vorstadtidylle geht es weiter nach Brand. Rund um den Bahnhof Rothe Erde herrscht großstädtisches Treiben und Verkehr. Hier begann die Vennbahn, hier endet auch unser Vennbahn-Radweg. Zum Aachener Hauptbahnhof sind wir nicht mehr gefahren.

© wildnis-wandern.de
Dieter Moßbrucker
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Über Dieter Moßbrucker

Dieter ist Ehemann, Vater und Opa, Wanderer und Trekker, Computer- und WordPress-Fan – und versucht, alles unter einen Hut zu bekommen. Seit vielen Jahren lieben wir das Wandern, Kanu- oder Fahrradfahren: am Bodensee, in Skandinavien, in den Alpen oder entlang verschiedener Flüsse. Seit Herbst 2015 gibt es diese Seite mit vielen neuen Berichten über Trekkingtouren und Wanderungen. Die früheren Berichte ab 1993 findet ihr auf der alten wildnis-wandern Seite.

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