

Mehrtages-Wander-Genuss auf dem Karnischen Hauptkamm entlang der Grenze zwischen Österreich und Italien von Arnbach/Osttirol zum Plöckenpass/Kärnten.

Der Karnische Hauptkamm, einer der großen Gebirgszüge der Südlichen Kalkalpen, verläuft fast schnurgerade entlang der Grenze zwischen Kärnten beziehungsweise Osttirol und dem italienischen Friaul. Genau dieser Linie folgt der Karnische Höhenweg. Er nimmt unter den Mehrtagestouren von Hütte zu Hütte eine besondere Stellung ein, denn er verläuft im Wesentlichen entlang der ehemaligen Frontlinie des Ersten Weltkriegs. Die alten Kriegssteige wurden restauriert und tragen heute den Namen »Via della Pace« (»Friedensweg«) als Zeichen für friedliche Begegnungen. Meist führt der Höhenweg direkt auf dem Kamm und nur selten an den Bergflanken entlang. So schenkt er während der gesamten Tour immer wieder beeindruckende Panoramen.
Ende Juli 2023 war ich erstmals auf dem Karnischen Höhenweg unterwegs. Wegen schlechten Wetters musste ich die Tour nach der zweiten Hütte, der Obstansersee-Hütte, abbrechen. Zum Trost besuchte ich damals die Hütten vom Tal aus.
Zwei Jahre später, Anfang Juli 2025, wanderte ich endlich die westliche Hälfte des Höhenwegs von Arnbach in Osttirol bis zum Plöckenpass in Kärnten in acht Tagen. Die Tour bot alles: heiße Sommertage, Neuschnee an der Filmoor Standschützenhütte und Regen. Eine ganz eigene Stimmung prägt diesen Weg, bei dem nicht die Gipfel im Vordergrund stehen, sondern der Weg selbst.
Eine kurze Geschichte des Karnischen Höhenweges

Die Karnischen Alpen wurden ab Mitte des 19. Jahrhunderts touristisch erschlossen – doch der Karnische Höhenweg selbst entstand erst im Ersten Weltkrieg. Der Karnische Kamm, dem der Weg folgt, markiert die Grenze zwischen Italien und Österreich. Heute herrscht hier Frieden, doch vor knapp 100 Jahren tobte an dieser Front ein erbitterter Gebirgskrieg.
1915 zerbrach der Dreibund zwischen Deutschland, Österreich und Italien und löste einen grausamen, blutigen Krieg in den Alpen aus. Zur Kriegsführung legten beide Seiten entlang der Staatsgrenze Versorgungswege an, an denen Geschützstellungen, Kasematten, Stollen, Unterstände und Friedhöfe entstanden. Die Überreste entlang des Alpenhauptkamms erinnern bis heute an diese schreckliche Zeit, in der Hunderttausende Soldaten ihr Leben verloren.
Auch in den Karnischen Alpen wurden viele Wegabschnitte zerstört. Erst 1970 wurden sie wiederhergestellt und zu einem Friedensweg verbunden – dem Karnischen Höhenweg, der heute an das dunkle Kapitel der Geschichte erinnert und zugleich zum friedlichen Wandern einlädt.
Wanderkarte, Wanderführer und Hüttenbuchung
Für die Planung meiner Wanderung auf dem Karnischen Höhenweg habe ich folgende Wanderkarte und Wanderführer verwendet.

14 Etappen – Von Sillian nach Thörl-Maglern – mit Varianten und Gipfelabstechern.

28 Etappen – Von Thörl-Maglern nach Sillian mit Varianten und Gipfeeln.
Die Hütten auf dem Karnischen Höhenweg sind teilweise eher klein und gerade im Sommer-Herbst schnell ausgebucht. Der Österreichische Alpenverein stellt einen sogenannten Bettencheck online, über den sehr schnell die Buchungszuständes der Hütten eingesehen und dann auch gebucht werden können – einfach genial.

Eckdaten, Karte und GPX-Download
Tour-Datum | 2025-07-05 |
Region | Österreich, Italien, Osttirol, Südtirol, Karnische Alpen |
Ausgangspunkt | Arnbach bei Sillian / Osttirol |
Anforderungen | alpine Mehrtageswanderung, ausgezeichnet markiert |
Distanz | 84 km |
Wanderzeit | 8 Tage |
GPX-Datei |
Die acht Etappen von Arnbach bis zum Plöckenpass
KHW01: Von Arnbach zum Helm und zur Silianer Hütte







Viele Wege führen auf den Karnischen Höhenweg
Wer vom Tal aus zu Fuß hinauf will, hat die Qual der Wahl: der klassische Zustieg von Arnbach, offiziell als Karnischer Höhenweg ausgeschildert; der Heimatsteig von Sillian, landschaftlich besonders spannend; der kürzeste Zustieg aus Österreich, von Sillian über die Leckfeldalm; oder der bequemste Weg von Vierschach mit der Helmbahn und dann aussichtsreich über den Helm.
Ich entscheide mich für den Anstieg von Arnbach. Die erste Stunde führt mich durch hohen Fichtenwald auf einer alten Forststraße mit sanften Kehren. Perfekt, um mich gemütlich einzuschreiten, den Rucksack zu spüren und meinen Rhythmus zu finden. Am Hofer Bankl treffe ich auf den Heimatsteig, von hier an geht es gemeinsam weiter auf einem wunderschönen Bergweg, der mich hinauf zum Kamm bringt.
Oben bleibe ich auf dem Heimatsteig und mache noch den Abstecher zum Helm, einem der schönsten Aussichtsgipfel der Ostalpen. Zwischen den Steinen stehen noch die Reste der alten Helmhütte. Danach folge ich dem breiten Kammweg zurück, weiter über den Leckfeldsattel und gelange so zur Sillianer Hütte.
KHW02: Von der Silianer Hütte zur Obstansersee Hütte







Dolomitenkino vom Feinsten
Heute startet der Karnische Höhenweg gemütlich: eine eher kurze Etappe, breite Wege, blumenreiche Wiesen. Genau richtig, denn bis zum Hochgräntensee gibt es so viel zu sehen, dass ich ständig stehenbleiben muss.
Schon an der Sillianer Hütte fesseln mich die Zacken der Dreischusterspitze und die Drei Zinnen. Weiter vorne rücken die wuchtigen Nordwände der Großen und Westlichen Zinne immer mehr ins Blickfeld. Schließlich kommen noch das Massiv des Elfer mit Sextner Rotwand und Hochbrunnerschneid dazu, ein Panorama wie aus dem Bilderbuch.
Unter den Gipfeln von Demut, Schöntalhöhe und Eisenreich ändert sich die Szenerie. Jetzt führt der Weg über grobes Blockwerk und verlangt etwas mehr Konzentration. Ich passiere alte Kriegsstellungen und die Ruinen früherer Unterkünfte, laufe ein Stück auf einem gemauerten Kriegssteig. Dann, im Abstieg vom Eisenreich zur Obstanserseehütte, öffnet sich wieder eine sanfte Landschaft mit blumenreichen Mulden. Hier hat eine ganze Murmeltier-Großfamilie ihre Burg.
Die Obstanserseehütte liegt wie ein Postkartenmotiv am Rand des dunklen Obstansersees, das perfekte Etappenziel.
KHW03: Von der Obstansersee Hütte übers Roßkopftörl zur Filimoor Standschützenhütte







Über das Roßkopftörl
Früher war der Weg über das Roßkopftörl die Hauptroute auf dem Karnischen Höhenweg. Heute zieht die aussichtsreiche Route über die Pfannspitze mehr Wanderer an, zu Recht, wie man sagt. Und doch hat das Roßkopftörl seinen eigenen Reiz.
Für mich ist es die stillere Alternative zum teils ausgesetzten Pfannspitzgrat. Hier finde ich Einsamkeit, eine überwältigende Blumenpracht und immer wieder Murmeltiere, die mich neugierig beobachten.
Vom Roßkopftörl zieht sich ein riesiger Grashang nordostwärts hinunter zur Tscharrhütte, einem kleinen Unterstand im oberen Erschbaumer Tal. Auf einem flach angelegten alten Kriegsweg steige ich weiter über den Hintersattel zur Filmoorhütte auf. Die mächtige Nordwand der Großen Kinigat begleitet mich dabei wie eine riesige Kulisse, das unbestrittene Schaustück dieses stillen Talkessels.
KHW04: Von der Filimoor Standschützenhütte zur Porzehütte







Neuschnee – durch das Filmoor zur Porzehütte
Am Morgen liegt Neuschnee, alles ist weiß überzuckert, eine bizarr schöne Landschaft. Doch schon bald taut die dünne Schicht dahin und ich kann unbesorgt losgehen.
Zuerst führt mich der Weg durchs Filmoor: kleine Bäche, moorige Tümpel, dicke Wollgrasbüschel und Wilde Kresse prägen das Bild. Das Wasser des Filmoors sammelt sich im Oberen Stuckensee, einem glasklaren Bergsee, in dem sich der Himmel spiegelt. Die Etappe ist leicht, der einzige Gegenanstieg zum Heretriegel kurz und gut zu gehen. Vom Heretriegel selbst bietet sich ein großartiger Rückblick: Das steile, kalkweiße Felshorn der Königswand ragt über dem dunklen Filmoor in den Himmel.
Weiter vorne zieht mich die beeindruckende Kalkmauer der Porze in ihren Bann, darunter liegt schon mein Tagesziel, die Porzehütte. Nach der weitläufigen Hochfläche des Roßkars, wo Pferde und Kühe weiden, folgt noch ein steiler Abstieg. Dann geht es bequem auf breitem Weg hinüber zur Hütte.
KHW05: Von der Porzehütte zur Malga Antola







Über den Malghenweg
Diese und die nächste Etappe bilden den leichten Verbindungsweg von der Porzehütte zum Hochweißsteinhaus, perfekt für Schlechtwetter, wenn der Weg hoch oben am Kamm zu heikel wäre. Doch für mich ist der Malghenweg weit mehr als nur eine Ausweichroute. Er führt mich über alte, ursprüngliche Almen, wo Eselherden grasen und große Schafherden von Schäfern mit ihren Hunden gehütet werden. Hier wird noch Almwirtschaft betrieben, wie man sie kaum noch kennt. Manchmal habe ich das Gefühl, die Zeit sei einfach stehen geblieben.
Der Weg bis zur Malga Antola ist leicht und gemütlich und trotzdem ausgesprochen aussichtsreich. Immer wieder öffnen sich spannende Blicke auf die schroffen Zacken der Pesariner Dolomiten, eine würzige alpine Note in dieser sanften Landschaft. Die Malga Antola selbst liegt etwas versteckt auf einer großen Waldlichtung: ein Stall, eine schlichte Almhütte, daneben die kleine Käserei. Abends sitzt man in der Küche mit den Sennen, die ihre Gäste mit spürbarer Begeisterung bekochen.
KHW06: Von der Malga Antola zum Hochweißstein-Haus







Hoch über der Schlucht
Eine tiefe Schlucht trennt die weiten Almböden von Antola vom mächtigen Monte Peralba. Der Weg führt mich durch grüne Hänge hoch über der tief eigegrabenen Oregone-Schlucht, begleitet von der gewaltigen Westwand des Berges.
Der Weg hinauf zum Hochalpjoch ist relativ breit, die Steigung ist moderat, nur das hohe Gras und der eher schlechte Pflegezustand verraten, dass hier nicht allzu viele Wanderer unterwegs sind. Allmählich wird das Gras weniger und Schotter bedeckt den Weg, der zuletzt in einigen Kehren über eine steile Stufe in das Hochalpljoch führt.
Unter den Felswänden der Weißsteinspitze steige ich nun in lang gezogenen Serpentinen über die erste Hangstufe bergab. Über den folgenden Hang leiten mich die Markierungen ziemlich direkt hinunter. An einzelnen Lärchen vorbei macht der Weg noch einen weiten Bogen, zuletzt muss ich noch einen Bach überqueren, bevor ich das schon lange sichtbare Hochweißsteinhaus erreiche.
KHW07: Vom Hochweißstein-Haus zur Wolayersee Hütte







Friedensweg durchs Almparadies
Nach der gestrigen Etappe freue ich mich heute auf eine lange, aber gemütliche Wanderung. Der Weg zieht durch liebliche Almen, wo es nach Kräutern duftet und Lärchen ihr lichtes Grün in die Sonne halten. Erst kurz vor dem Giramondopass wird das Gelände felsiger. Der Abstieg zur Oberen Wolayeralm ist steil und verlangt nochmal volle Aufmerksamkeit.
Heute quert der Karnische Höhenweg das Ofner Joch auf die italienische Seite, vorbei an ursprünglichen Almen und durch einen ruhigen Lärchenwald, eine friedliche Landschaft, die dem Namen „Friedensweg“ auf sanfte Weise gerecht wird. Mein Ziel ist die Wolayerseehütte, stattlich und bestens ausgestattet, nur wenige Meter oberhalb des Sees. Ihre Lage ist grandios und so ist sie auch ein Magnet für Bergsteiger und Kletterer, entsprechend oft ist sie ausgebucht.
KHW08: Von der Wolayersee Hütte zur Unteren Valentinalm und zum Plöckenpass







Vom Gletscher zum Römerpass
Von der Wolayerseehütte steige ich zunächst zum Valentintörl auf, ein markanter Riegel zwischen der eleganten Pyramide des Rauchkofels und der Hohen Warte, dem höchsten Berg der Karnischen Alpen. Die Nordwand der Hohen Warte erhebt sich steil und düster zum Gipfel, im Eiskar unter den Kellerspitzen soll ein kleines Schneefeld liegen, der südöstlichste Gletscher Österreichs, doch zu sehen ist nichts.
Im Abstieg vom Valentintörl gehe ich über einen 400 Millionen Jahre alten Meeresboden. Unten warten die Valentinalm und der Plöckenpass, schon von den Römern als Übergang genutzt. Seinen Namen verdankt die Valentinalm dem römischen Kaiser Valentinian, der den Pass im Jahr 393 n. Chr. ausbauen ließ.
Mein Fazit zum Karnischen Höhenweg
Für mich ist der Karnische Höhenweg eine perfekte Mischung aus atemberaubender Natur und bewegender Geschichte. Fast jeden Tag öffnet sich ein neuer Blick auf schroffe Gipfel, und immer wieder stehe ich vor stillen Relikten des Ersten Weltkriegs. Die Wege sind meist leicht bis mittelschwer, doch es gibt auch Passagen mit Drahtseilen, die Konzentration erfordern. Der Abschnitt von der Sillianer Hütte bis zur Unteren Valentinalm ist stark frequentiert – ohne rechtzeitige Hüttenreservierung geht hier kaum etwas. Umso schöner, dass die meisten Hütten frisch renoviert sind und mehr Komfort bieten, als man in dieser Höhe erwarten würde.
Meine persönliche „Königsetappe“ war der Malghenweg auf der italienischen Seite von der Porzehütte über die Malga Antola zum Hochweißsteinhaus – ein Panoramaweg erster Klasse mit großartigen Ausblicken auf die Felszacken der Pesariner Dolomiten und vielen beschaulichen Malghen (Almen, Sennhütten, Käsereien). Auf diesem Abschnitt war ich völlig allein unterwegs, was die besondere Atmosphäre noch verstärkt hat.
Für alle, die Schwindelfreiheit, Trittsicherheit und Lust auf unvergessliche Bergmomente mitbringen, ist dieser Teil des Karnischen Höhenwegs ein Erlebnis, das noch lange nachklingt.

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